In den vergangenen hundert Jahren hat sich die Bewertung der Geschlechterdifferenz grundsätzlich gewandelt. Unterschiede zwischen Mann und Frau gelten heute weitgehend als soziale Konstrukte, viele traditionelle Zuschreibungen haben sich als empirisch unhaltbar erwiesen.
Das gilt auch für die Behauptung, dass Frauen das gefühlvolle Geschlecht seien, während Männer vom Verstand regiert werden. Inzwischen hat sich in der Emotionsforschung zudem die dabei vorausgesetzte Kluft zwischen Gefühl und Verstand als Mythos erwiesen. In dieser Situation, in der traditionelle Differenzen auf mehreren Ebenen außer Kraft gesetzt scheinen, kehren die Neurowissenschaften mit einer neuen Geschlechterdifferenz zurück: bildgebende Verfahren scheinen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen schon beim Neugeborenen nachzuweisen und typische Differenzen in der Verarbeitung von Empfindungen in der männlichen und weiblichen Entwicklungsgeschichte zu belegen.